von Brigitte-Devaia
Mammchen und Sanfti haben unsere Herzen tief berührt und die Türe geöffnet für ein Leben mit Katzen. Sie waren unsere Wegweiser. Und Mamm-chen war eine große Heilerin für uns alle, für die ganze
Familie, besonders jedoch für mich.
Im Jahr 2005 bewohnten wir in Abständen immer wieder für mehrere Wochen ein altes Haus inmitten eines großen, wunderschönen Gartens auf der Insel La Palma, einer der sonnigen, kanarischen Inseln
im Atlantik. Der Vermieter sagte uns, dass er immer wieder einmal vorbeikäme, um seine zwei Katzen mit Trockenfutter zu versorgen. Er bat uns, sie auch zu füttern, wenn er einmal nicht
vorbeikommen könne.
Da es auf der Insel sonnig und warm ist, standen bei uns den ganzen Tag über die Türen offen und schon bald besuchten uns die beiden Katzen. Sie waren sehr zutraulich und stets hungrig. Da beide
nicht sehr gesund aussahen, wollten wir sie nicht nur mit Trockenfutter versorgen, sondern kauften für sie auch Nassfutter. Wir merkten gleich, dass sie gutes und regelmäßiges Futter nicht
gewöhnt waren. Beim Verschlingen der Fleischbrocken zitterten sie vor Aufregung am ganzen Körper.
Die beiden sind uns sehr schnell ans Herz gewachsen. Wir schenkten ihnen unsere Aufmerksamkeit und Liebe und unsere Zärtlichkeit. Es war ihnen anzusehen, dass es ihnen schon sehr lange Zeit nicht
gut gegangen war und dass ihnen gutes Futter, menschliche Nähe und Liebe fehlten und dass sie traumatisiert waren.
Mich machte es glücklich, ihnen beim Essen zuschauen zu können und mitzuerleben, wie sie sich danach satt und entspannt irgendwo im Garten hinlegten und die Welt für sie eine zeitlang wieder
völlig in Ordnung war. In nur wenigen Tagen verbesserte sich sichtbar ihr Allgemeinzustand. Ihr weißes Fell wurde heller, etwas flauschiger und sie waren beim Essen viel entspannter. Sie konnten
sich ja darauf verlassen, dass es am nächsten Tag wieder gutes Essen für sie gab.
Wenn wir von Unterwegs zurückkamen, standen die beiden meistens schon vor der Türe oder liefen uns im Hof entgegen. Sie wussten immer genau, wann wir kamen. Dieser siebte Sinn der Katzen hat uns
sehr fasziniert.
Vom Vermieter erfuhren wir im Laufe der Zeit mehr über die beiden. Das weibliche Tier war bereits stolze 20 Jahre alt und das männliche war ihr Sohn, ebenfalls in stattlichem Alter. Die beiden
waren immer zusammen und wir erfuhren auch den Grund dafür: Die Mutterkatze kümmerte sich trotz ihres hohen Alters immer noch liebevoll um ihn, da er aufgrund früherer Übergriffe behindert wurde
und nur schwer für sich selbst sorgen konnte. Diese bedingungslose Liebe der Mutterkatze und die vertrauensvolle Hingabe des Katers an seine Mutter berührte mich zutiefst.
Die beiden spiegelten mir meine eigene, starke Mutterliebe für meinen Sohn wider und regten in mir die Erinnerung an ein dramatisches Ereignis in unserer Vergangenheit an, das ich noch nicht ganz
'verdaut' hatte. Mein Sohn wurde in seinem achten Lebensjahr von zwei falsch gehaltenen Rottweilerhunden angegriffen und auch am Kopf sehr schwer verletzt. Es folgten Klinikaufenthalte und OPs
und es dauerte viele Jahre, bis er körperlich und vor allem auch seelisch wieder stabil war. Ich war jeden Moment an seiner Seite und hütete ihn wie meinen Augapfel. Die Durchhaltekraft für
diesen gigantischen, mehrjährigen Akt erhielt ich durch Gebete, Meditationen, durch Einblicke in die geistige Welt und Botschaften von Geistwesen wie auch von lieben Menschen. Von der Familie und
von Freunden erhielt ich nur wenig Hilfe, da sie selbst alle mehr oder weniger mit dem Geschehen überfordert waren. Ich wuchs also über mich hinaus.
Beim Anblick und beim Schmusen dieser beiden Katzen rollte sich meine eigene Vergangenheit wieder auf. Und irgendwie wusste ich, dass die beiden meine inneren Bilder sahen und spürten, wie
einschneidend dieser Vorfall und alle nachfolgenden Erlebnisse für mich gewesen waren und auch wie schwer ich an ihnen all die Zeit getragen hatte. Ich brauchte dringend etwas mehr Leichtigkeit
und die fand ich beim Zusammensein mit genau diesen beiden wunderbaren Tieren. Nur sie konnten in einer tiefen Seelenschicht fühlen, was ich gefühlt habe.
Jede Träne, die ich bei ihrem Anblick vergoss - und das waren eine Menge! - hat zu meiner Heilung beigetragen. Und jeder Schmuser, den sie mir schenkten, war pure Kraft für mich. Ich hatte so
großes Mitgefühl mit diesen beiden Katzen und schenkte ihnen meine Liebe und gleichzeitig fühlten sie mit mir mit und schnurrten mich heiler. Die Liebe, die ich ihnen gab, gab ich mir auch
selbst. Das Mitgefühl, dass ich für sie empfand, empfand ich auch für mich selbst. Ich glaube, es war der Gleichklang unserer Seelen, der uns allen so gut getan hat. Was für ein wundervolles
Management der geistigen Helfer, die es geschafft hatten, uns zusammenzuführen.
Nach dem Gespräch mit dem Vermieter verstanden wir auch, warum die Katzen so belastet und krank waren und alleine am Haus lebten. Der Palmero weinte, als er uns erzählte, dass er Haus und Garten
einst für seine Frau und seine kleinen Kinder gebaut hatte und sie dann ein schweres Schicksal traf. Seine deutsche Frau erkrankte an einem Gehirntumor und starb innerhalb weniger Monate. Ihre
letzte Lebenszeit verbrachte sie mit Schmerzen, Depressionen und Angst in einem ebenerdigen Zimmer des Hauses. Der Vater und die beiden kleinen Kinder waren schwer traumatisiert, ebenso ihre
beiden Katzen. Nachdem die Mutter gestorben war, zog der trauernde Vater mit seinen beiden Kinder in ein anderes Haus. Er lies sein schönes Haus zurück und leider auch die beiden Katzen seiner
Frau.
Wir fanden es großartig, dass er die Katzen dennoch regelmäßig fütterte. Doch sie waren auf sich alleine gestellt und waren verstört durch das, was geschehen war. Sie brauchten eine Hilfe, die
ihnen der traumatisierte Rest der Familie einfach nicht geben konnte. Und dann, irgendwann, kamen wir.
Wo wir auch waren, die beiden folgten uns dorthin und hüpften immer wieder auf einen freien Schoß. Abends kuschelten sie sich an uns heran und wir spürten, wie gut ihnen das tat. Sie waren nicht
nur hungrig auf gutes Essen, sondern auch auf Trost und Liebe. Auch sie haben sowohl den Mann, die Kinder und die Schwerkranke begleitet, waren an ihrer Seite und nahmen ihnen allen etwas von
ihren Leiden und Nöten ab. Doch als die Krankheit weiter fortgeschritten war, wurden sie nicht mehr ins Haus hineingelassen. Und später haben sie um ihr Frauchen getrauert und auch den Rest ihrer
menschlichen Familie verloren. Sie müssen unendlich traurig gewesen sein, als sie am Ort des Geschehens zurückgelassen wurden. Die beiden Tiere brauchten dringend menschliche Liebe und Zuwendung
und die gaben wir ihnen von Herzen. Wir verbrachten wunderschöne Wochen mit ihnen.
Dann rückte unsere Abreise näher. Da wir wussten, dass wir bereits nach drei Wochen wiederkämen, hielt sich meine Traurigkeit einigermaßen in Grenzen. Wir gaben unserem Vermieter Bescheid, legten
einen großen Futtervorat an und beauftragten zusätzlich unseren Nachbarn, die beiden Katzen zu füttern. Dafür bekam er von uns einen Geldschein. Wir ahnten nicht, was Trauriges in der Zeit
unserer Abwesenheit geschehen würde.
Die beiden Katzen Mammchen und Sanfti haben wir auf der Insel La Palma tief ins Herz geschlossen. Wir lebten einen Monat mit ihnen, haben sie aufgepeppelt und eine wunderbare Zeit mit ihnen
erlebt. Dann mussten wir für drei Wochen nach Deutschland fliegen. Ein Nachbar versorgte sie währenddessen. Als wir wieder auf die Insel zurückkehrten, konnte ich es kaum abwarten, sie wieder in
meine Arme schließen zu können. Doch es erwartete uns etwas Trauriges.
Als wir bei der Ankunft den Hof betraten, kam uns Mammchen schon entgegen. Doch über ihren Anblick waren wir zutiefst erschrocken. Sie war enorm abgemagert und ihr schönes, weißes Fell war grau
und strubbelig. Ihre chronisch entzündeten Augen waren völlig verklebt und eitrig. Als ich sie erschüttert zu mir in die Arme nahm, sahen mich kurz zwei müde, traurige Augen an. Was war passiert?
Und wo war ihr Söhnlein Sanfti?
Vom Nachbar erfuhren wir dann, dass ein junger Jagthund, der in den Garten kam, den behinderten Kater gejagt und getötet hat, was leicht für ihn war, weil der Kater nicht gut sehen und klettern
konnte. Mammchen hatte das alles mit ansehen müssen. Der Nachbar meinte, sie hätte sich auf einen Baum gerettet und wäre lange nicht mehr von dort heruntergekommen.
Diese Schreckensbilder brachten mich immer wieder zum Weinen. Ich vermisste den anhänglichen Kater mit seiner sanften Art und seinem runden Gesichtchen sehr. Wir verabschiedeten uns von ihm mit
einer kleinen Zeremonie und einer Meditation. Ich hatte ganz stark das Gefühl, dass er in seinem fein-stofflichen Körper anwesend war.
In den folgenden Tagen hörte ich ihn deutlich neben mir miauen und spürte ihn auch bei uns sitzen. Das geschah stets nur für ein paar Sekunden. Ich schickte ihm dann liebevolle innere Bilder und
viel warme Liebe. Mammchen war noch sehr mit ihm verbunden. Sie muss ihn mehrmals gesehen haben, denn sie schaute immer wieder wie gebannt an Stellen im Raum, an denen für uns nichts zu sehen
war, für sie jedoch schon. Wie mochte es ihr ergangen sein, als sie mitansehen musste, wie ihr Söhnlein zu Tode gejagt wurde?
Der junge Jagdhund war übrigens auch ein ganz armer, abgemagerter Kerl gewesen, den man ausgesetzt hatte. Wir haben ihn liebevoll gefüttert und zu einer deutschen Tierschützerin im Norden der
Insel gebracht.
Johannes, mein 17-jähriger Sohn und ich kümmerten uns liebevoll um Mammchen, der es sehr schlecht ging. Sie aß kaum. Sie hatte einen leeren Blick. Sie roch streng. Sie trauerte. Und sie suchte
unsere Nähe. Sie war stets dort, wo wir gerade waren. Und aus Mitgefühl für das Tier blieb ich oft zuhause. Ich hatte das Bedürfnis, die trauernde Katze immer wieder fest an mein Herz zu drücken,
sie zu streicheln und ihre Trauer mit ihr zu teilen.
Mammchen bekam unsere ganze Liebe und Aufmerksamkeit. Wir haben sie oft herumgetragen. Sie saß ständig auf einem Schoß. Sie schlief in unserem Bett. Wir befreiten sie täglich von Flöhen. Sie
kuschelte sich nah an uns heran. Und nach einer Weile aß sie wieder und immer genau dann, wenn wir auch gegessen haben - ob im Haus oder im Garten. Bei den Meditationen war sie gerne dabei.
Sobald wir die Meditationsmusik anmachten, kam sie herbeigehumpelt und legte sich neben uns. Sie schlief sogar neben dem Pool, wenn wir schwimmen gingen.
Sie spürte, wie sehr wir sie liebten. Mammchen war unser großer Liebling geworden und unser aller Mittelpunkt. Ihr Zustand verbesserte sich schnell. Ihre Augen blieben wegen der chronischen
Entzündung meistens geschlossen, doch wenn sie sie einmal öffnete, hatte sie einen hellen und dankbaren Blick. Mammchen fühlte sich immer wohler, vielleicht so wohl, wie schon sehr lange nicht
mehr.
Es war klar für uns, dass wir Mammchen mit nach Deutschland nehmen würden. Der Vermieter war darüber erleichtert. Und ich war überglücklich bei der Vorstellung, dass Mammchen bei uns leben würde.
Ich schickte ihr innere Bilder von unserem kleinen Zuhause und dem kleinen Gärtchen und gab ihr zu verstehen, dass wir sie sehr gerne mitnehmen und sie bei uns willkommen heißen.
Als die Abreise auf uns zukam, spürte Mammchen das natürlich schon Tage vorher. Sie wurde unruhig und verließ das Haus nicht mehr. Die meiste Zeit über versteckte sie sich im offenen
Kleiderschrank zwischen unserer Wäsche. Es war zu spüren, dass sie etwas Angst hatte, wieder zurückgelassen zu werden. Sie muss den alten Schmerz nocheinmal erlebt haben. Obwohl wir ihr alle
signalisierten, dass wir sie mitnehmen würden, blieb sie ängstlich. Als wir unsere Koffer packten, legte sie sich sogar in einen der Koffer hinein.
Auf Mammchen, die schon so viel durchgemacht hatte, kam eine wunderschöne Zeit bei uns in Deutschland zu.